Ottokar

Wieder einmal sitzen wir drin – in diesem weissen Fahrzeug genannt Auto, von Christoph liebevoll „Ottokar“ genannt. Nun ja, wortlos habe ich mich schon mit ihm verständigt, es grinst mir zu das Otto-Auto – ja, es ist wahr, wir haben eine geheime Vereinbarung zusammen.

Wie immer fährt Christoph – erstens weil es sein Auto ist und zweitens, weil ich gar keinen Führerschein habe. Gut, er dreht den Zündschlüssel – Stille – Ottokar will nicht starten. Er dreht ihn nochmals – immernoch Stille. Im geheimen beginne ich, mich mit dem besagten Fahrzeug zu unterhalten. Ja, ich schwöre ihnen, dass so etwas möglich ist.

Innerlich zwinkere ich ihm zu – dem Otto-Fahrzeug. Und beim dritten Drehen des Zündschlüssels hören wir den ersehnten Ton – der Auto-Motor springt an.

So geht das oft. Manchmal beim ersten, meistens aber erst beim dritten Mal, startet das beseelte Auto. Christoph schielt jeweils misstrauisch zu mir rüber und ich grinse zurück. Er hat mich im Verdacht, dass ich irgendetwas tue – irgendetwas, das er nicht erkennen kann, dass ich seinen Ottokar irgendwie manipuliere. Ich versichere ihnen, genau das mache ich nicht. Ich sitze still da und horche – ich horche nur, und zwar nicht darauf, ob der Motor endlich anspringt, nein, nein, wo denken Sie hin. Ich horche zur Seele des Ottokar – und riskiere, wenn ich das hier zugebe, als Spinnerin entlarvt zu werden, was ich wohl auch bin. Und sonst tu ich eigentlich nichts weiter, ausser horchen und zwar mit dem Herzen. Und ich schwöre ihnen, der Ottokar der liebt das, und zum Dank springt er an.

Beweise, Sie wollen Beweise? Nicht doch, Beweise gibt es keine, ich habe nicht vor etwas zu beweisen. Ich will niemanden davon überzeugen, dass Autos Seelen haben – nein, nein, wo denken Sie hin – missionieren habe ich längst aufgegeben. Es kostet mich zuviel Energie.

Weshalb dann diese Geschichte? Ja, einfach weil sie erzählt werden wollte, grade jetzt. Und im Gedenken an Ottokar, der im Autofriedhof seine letzte Ruhe gefunden hat. Christoph hat mich aufgeklärt, Ottokar ist nicht tot, er ist jetzt ein Stern und manchmal, wenn der Himmel klar ist, suchen wir ihn und winken ihm in Gedanken zu.

Ebbe und Flut

ebbe und flut
auf und ab
tag und nacht

in die rhythmen der welt
webe ich mein leben

meinen tag
und meine nacht
meine hochzeiten
und meine finsteren stunden

ich spüre die erde unter den füssen
werde von der sonne geküsst
reite auf dem regenbogen
und tanze nachts auf dem mond

meine melodie
klingt durch die nacht
gesungen von den sternen

mein körper
uralte materie
schon millionenfach bewohnt,
verlassen, zersetzt und wieder
neu entstanden
schwingt mit in allen zellen
pulsiert, atmet, lebt
und ist doch nur
ein körnchen sternenstaub

Zeit

was ist schon zeit?

in anbetracht der erinnerung
an leben

an leben
auf sonnenbeschienenen inseln
mit freudvollen menschen

an leben
in wunderbarer bergwelt
behütet von den pflanzen

an leben
schwimmend in den ozeanen
eines fernen planeten

an leben
mit massen von menschen
den frieden und überfluss feiernd

an leben
vom winde getragen
mit dem himmel als heimat

an leben
mit unerschöpflicher kreativität
die das leben selber erschafft

was ist schon zeit
mein freund